Freitag, 29. April 2011

Zur Entwicklung im Bistum Chur

Wie geht es nun weiter im Bistum Chur? Die versprochenen Antworten, die Bischof Vitus Huonder nach seinem Rombesuch gegeben hat, helfen kaum weiter. Sie klingen nach Ablenkmanövern, tragen aber nicht wirklich zur Klärung bei.

Der Churer Bischof Vitus Huonder hat in einem Schreiben vom 5. April 2011 an die Synode der Zürcher Kantonalkirche allen Frauen und Männern in den Kirchgemeinden und kantonalen Gremien «für ihr vielfältiges Engagement und ihren grossen Einsatz» gedankt. Mit dem Schreiben will der Bischof nach eigenen Angaben den Mitgliedern der Synode als Gläubige des Bistums Chur seine «Wertschätzung entgegenbringen». Die Geschäftsleitung der Synode präsentierte daraufhin zu Beginn der Sitzung vom 7. April ihren Bericht und ihre Stellungnahme zum Gespräch, das eine Delegation der Synode im Februar mit dem Diözesanbischof geführt hatte.

Sie versicherte den beiden aus dem Amt Gedrängten, Regens Ernst Fuchs und Generalvikar Andreas Rellstab, «unser Verständnis, unsere Solidarität und unsere Dankbarkeit». Im Weiteren dankte sie Weihbischof Marian Eleganti für seinen gut einjährigen Einsatz in Zürich und wünschte ihm viel Glück in seiner neuen Aufgabe als Regens des Priesterseminars.

In seinem Votum deutlicher wurde Synodalratspräsident Benno Schnüriger: Mit dem Schreiben des Churer Bischofs liege ein Wort der Wertschätzung vor, mehr nicht. Meine der Bischof sein Schreiben ernst, müsse er als Zeichen der Wertschätzung seinen Generalvikar Martin Grichting abberufen. Dieser habe sich in der Vergangenheit und in den letzten Wochen in der Öffentlichkeit klar gegen das staatskirchenrechtliche System und seine Gremien gestellt und versuche diese als «Gegenkirche» zu disqualifizieren.

Die Delegation erklärte weiter, die Bereitschaft zum konstruktiven Gespräch mit dem Bischof aufrechtzuerhalten, stellte aber fest, die Bistumsleitung habe selbst «wiederholt» gegen die «Grundsätze zur Gesprächskultur im Bistum Chur» vom 25. August 2009 verstossen.

Volles Vertrauen des Papstes
In einem weiteren Schreiben vom 8. April an die Mitarbeitenden des Bistums mahnte der Bischof: «Lassen wir diese Sendung nicht schmälern durch Auseinandersetzungen, Strukturdebatten und Personaldiskussionen.» Um die Beziehungen zu den staatskirchenrechtlichen Organisationen «zu vereinfachen», hat sich Huonder nach Rücksprache mit seinen engsten Mitarbeitern entschlossen, den Offizial Joseph Bonnemain zum «Bischofsvikar für die Beziehungen zu den staatskirchenrechtlichen Organisationen und den Kantonen» zu ernennen.

Ende März hatte Huonder im Vatikan Gespräche über die derzeitige Lage im Bistum Chur geführt. Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der Bischofskongregation, habe ihm gegenüber klar zum Ausdruck gebracht, dass er das «volle Vertrauen» von Papst Benedikt XVI. habe und dass der Papst von ihm wünsche, dass er seinen Dienst weiterführe.

Bischof muss mit Widerstand rechnen
Am 4. Mai 2011 werden gemäss Ankündigung Huonders der Priesterrat und der Rat der Laientheologen und Diakone gemeinsam tagen. Dabei werde es zum einen um eine offene Aussprache gehen. Zum anderen wolle er aber auch die Rolle der Räte als Beratungsorgan des Bischofs zur Sprache bringen.

Er würde gerne dort wirken, wo die Akzeptanz gross sei, sagte Bischof Huonder in einem Interview mit dem Regionaljournal von Radio DRS. In der Kirche sei dies aber nicht so einfach möglich: «Jeder Bischof, der die Linie der Kirche einhalten will, muss mit gewissen Widerständen rechnen.»

Die in den letzten Wochen von verschiedener Seite geäusserten Rücktrittsforderungen auch an seine Person hätten ihn zwar nicht kalt gelassen. Aber die Menschen müssten einsehen, dass sich ein Bischof nicht auswechseln lasse «wie ein Handschuh», sondern ein «Prinzip der Stabilität» sei. Kritik sei zwar immer ernst zu nehmen, aber über gewisse Dinge könne man nicht diskutieren: «Zum Beispiel über einen Rücktritt des Bischofs, darüber lässt sich nicht diskutieren. Meiner Ansicht nach lässt sich auch nicht darüber diskutieren, welche Personen der Bischof einsetzt als seine engsten Mitarbeiter – das ist wirklich seine Sache.»

Eine solche bischöfliche Personalentscheidung gab Huonder am 14. April bekannt. Er ernannte Andreas Fuchs zum neuen regionalen Generalvikar für Graubünden. Der 40-jährige Zürcher, derzeit Pfarrer in Wetzikon und Gossau ZH, tritt im Sommer die Nachfolge von Andreas Rellstab an. Zugleich wird Fuchs dem Bischofsrat angehören. Fuchs ist Mitglied der umstrittenen charismatischen Bewegung «Servi della sofferenza» (Diener des Leidens).

ZWISCHEN DEN ZEILEN In einem Meinungsbeitrag für die «Südostschweiz» schrieb der Kirchenhistoriker Albert Gasser, es dürfe «mit Sicherheit» angenommen werden, dass man dem Churer Bischof bei dessen jüngstem Besuch im Vatikan «nicht nur den Rücken gestärkt, sondern auch Direktiven und Ermahnungen mitgegeben» habe.

Die Ernennung des Offizials Joseph Bonnemain zum «Bischofsvikar für die Beziehungen zu den staatskirchenrechtlichen Organisationen und den Kantonen» sei «wohl mehr als nur ein Signal». Denn dieses Dossier sei damit «exakt an Martin Grichting vorbei» jemandem übertragen worden, der «konziliant, kommunikativ und ein erfahrener Seelsorger ist und nicht nur vom Kirchenrecht und seiner persönlichen Ideologie her argumentiert».

Für diese Interpretation spricht der Umstand, dass Grichting einen bereits zugesagten Auftritt in der «Sternstunde Religion» des Schweizer Fernsehens auf Wunsch des Bischofs abgesagt hat.

Als weiteres Zeichen für seine Einschätzung interpretiert Gasser eine kleine Passage in dem bischöflichen Schreiben zur ausserordentlichen Form des römischen Ritus. Dort schreibt der Bischof, für ihn bleibe das Motu proprio «Summorum Pontificum» vom 7. Juli 2007 massgebend. Die Priesterausbildung im Priesterseminar St. Luzi in Chur werde davon aber nicht betroffen sein.

Für Gasser bedeutet dies, «dass der Bischof seine Absicht zurücknehmen muss, im Priesterseminar Chur zusätzlich einen Parallelklerus ausschliesslich für den ausserordentlichen Ritus heranzubilden». Dies sei eine der «hauptsächlichen» Meinungsdifferenzen zwischen Huonder und dem ehemaligen Regens des Priesterseminars, Ernst Fuchs, gewesen, so Gasser.

KIPA/PD/BIT