Montag, 16. April 2012

Glauben suchen – Heimat finden: Die Katholische Kirche kennenlernen

«In Rom kann man viel Glauben finden», behaupten manche Romführer, denn – so die ironische Erläuterung – «dort haben ihn viele verloren.» Nehmen wir an, ein Nicht-Katholik, im Kanton Zürich in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, ist in Rom als Tourist unterwegs. Vieles von dem, was es in diesem «Zentrum der katholischen Kirche» zu bestaunen gibt, kann ihn beeindrucken, manches vielleicht erdrücken oder befremden. Und oft wird er sich wohl fragen: Ist das nun «katholisch»?

Von den katholischen Pfarreien, die er im Kanton Zürich erlebt, dürfte er jedenfalls einen anderen Eindruck erhalten haben. Nehmen wir weiter an, diesem Touristen fällt – wieder zurück in Zürich – der Flyer «Glauben suchen – Heimat finden» in die Hände. Kann dieses Angebot Antworten auf seine neu aufgetauchten Fragen geben?

«Glauben suchen – Heimat finden» ist ein Glaubenskurs mit neun Nachmittagen im Kloster Fahr oder acht Abenden in Zürich. Adressaten sind Menschen, die sich fragen, was es mit der «katholischen Version» des christlichen Glaubens denn nun auf sich hat – sei es aus blosser Neugier oder weil sie den Über- oder Eintritt in die römisch-katholische Kirche erwägen.

«Der Gott der Christen – ein ‹Wer› oder ein ‹Was›?» lautet beispielsweise ein Thema des Kurses. «Warum sind die katholischen Gottesdienste so und nicht anders?» Oder auch «Gibt es einen Himmel – eine Hölle – ein Fegfeuer?»

Solche und andere Fragen zu den Grundlagen des christlichen Glaubens, zu Besonderheiten der katholischen Kirche sowie zu existentiellen Themen werden aufgegriffen. Zwar richtet sich das Angebot vorrangig an Personen, die den Über- oder den Eintritt in die römisch-katholische Kirche erwägen. Nach Abschluss des Kurses besteht deshalb auch die Möglichkeit, in die katholische Kirche aufgenommen zu werden. Angesprochen sind aber auch Katholiken und Katholikinnen, die als religiös suchende Menschen grundlegende Aspekte ihres Glaubens beleuchten möchten. Es wird deshalb versucht, allen Teilnehmenden «das Katholische» des christlichen Glaubens in Wort, Gespräch, Film und Gebetsformen verständlich zu machen – als ein Angebot, hier vielleicht eine «Heimat» zu finden, will sagen: ein Haus mit vielen Wohnungen. Denn «katholisch» bedeutet nicht Einfalt, sondern Vielfalt und Vielschichtigkeit!

Glauben suchen wird damit als lebenslanger Prozess vermittelt – vergleichbar mit einem Gang zu einer Quelle: manchmal steinig und unbequem, dann aber auch erfrischend und belebend. Die Kurseinheiten beinhalten deshalb auch spirituelle Impulse: Im Kloster Fahr laden die Schwestern zur Teilnahme an ihrem täglichen Abendgebet (Vesper) ein.

Sonntag, 1. April 2012

Spalten statt versöhnen

In seinem «Hirtenbrief» tritt der Bischof von Chur nicht als katholischer Hirte auf, der seine bunt-gescheckte Herde zusammenzuhalten versucht, sondern als spaltender Fundamentalist, der die Spreu vom Weizen trennen will.

Der Stein des Anstosses ist nicht die Unauflöslichkeit der Ehe. Auch gescheiterte Beziehungen werden lebenslang ihre Spuren hinterlassen: psychisch, sozial, finanziell. Wer Beziehungen aus seiner Biografie zu tilgen versucht, wird stets mehr verlieren als gewinnen. So gesehen ist die Unauflöslichkeit der Ehe ein Faktum. Und sie ist nach wie vor die grosse Sehnsucht aller Liebenden, weil die Natur des Menschen auf Beständigkeit ausgerichtet ist.

Weshalb der «Hirtenbrief» von Bischof Vitus Huonder ein Ärgernis darstellt, hat vor bereits vierzig Jahren ein Theologe kurz und bündig formuliert: «Wo eine zweite Ehe sich über einen längeren Zeitraum hin bewährt hat …, da sollte auf das Zeugnis des Pfarrers und von Gemeindegliedern hin die Zulassung zur Kommunion gewährt werden.» Der Theologe, der diesen Sinneswandel angedacht hat, hiess Josef Ratzinger.

Bischof Huonder jedoch tut so, als ob die Sakramente in ihrer heutigen Form direkt von Jesus Christus eingesetzt worden wären, als ob sich das Lehramt der Kirche zweitausend Jahre lang nicht bewegt hätte, als ob das Kirchenrecht eine mathematische Disziplin sei. Bischof Huonder leugnet damit einen der Hauptpfeiler der katholischen Kirche: ihre Tradition. Diese aber will ja nichts weniger als die Konkretisierung der christlichen Lehre in die jeweilige Zeit hinein. Sie kennt, schätzt und nutzt die Vergangenheit, aber sie bleibt nicht im Vergangenen stehen, sondern schreitet mutig weiter. Sie ist gerade nicht fundamentalistisch.

Bischof Huonder dagegen vermittelt die katholische Kirche als erratischen Block. Das Unerträgliche daran: Viele glauben ihm, auch viele seiner Kritiker. Aber Sakrament, Dogma, Liturgie, Kirchenrecht – alles hat seine Geschichte. Nur weil der Bischof von Chur es gerne so hätte, bleibt weder die Geschichte stehen, noch hört das theologische Nachdenken auf. Auch das Eheverständnis der katholischen Kirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt.

Immer wieder behauptet Bischof Huonder, er vertrete «schlicht und einfach die Lehre der Kirche». Damit setzt er indirekt eine Vielzahl von Bischöfen herab, die ihm sowohl in ihrer Kirchentreue wie in ihrer theologischen Kompetenz mehr als nur das Wasser reichen können. Beispielsweise Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsteher der deutschen Bischofskonferenz, der im September 2011 in der «Zeit» gesagt hat: «Wir stehen ja ganz allgemein vor der Frage, wie wir Menschen helfen, deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist. Dazu gehört auch eine gescheiterte Ehe. Das ist eine Frage der Barmherzigkeit, und darüber werden wir in nächster Zeit intensiv sprechen.» Und er hat eine klare Hoffnung ausgesprochen: «Ich glaube aber, dass wir in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen weiterkommen werden – zu meinen Lebzeiten.»

1980 hat eine Bischofssynode in Rom gefordert: «Die Synode in ihrer pastoralen Sorge für diese Gläubigen (wiederverheiratete Geschiedene) wünscht, dass diesbezüglich ein neues und vertieftes Studium unternommen werde. Dabei soll auch der Praxis der Ostkirchen Rechnung getragen werden, damit so die pastorale Barmherzigkeit besser zum Ausdruck kommt.» – 179 Bischöfe haben damals diese Motion an den Papst überwiesen, nur 20 waren dagegen.

1993 haben die oberrheinischen Bischöfe Karl Lehmann, Walter Kasper und Oskar Saier ein Schreiben veröffentlicht, in dem ein Schlüsselsatz lautet: «Die Kirche kann das Wort Jesu von der Unauflösbarkeit der Ehe nicht zur Disposition stellen, sie kann aber auch vor dem Scheitern vieler Ehen nicht die Augen verschliessen. Denn wo immer Menschen hinter der Wirklichkeit der Erlösung zurückbleiben, begegnet ihnen Jesus barmherzig mit Verständnis für ihre Situation. Er eröffnet auch in Scheitern und Schuld den Weg zur Umkehr und zu neuem Leben.» Gleichzeitig formulierten die Bischöfe auch Grundsätze für Pastoral mit einem klar formulierten Ziel: «Diese Bemühungen wollen die Gemeinden und die Seelsorger in ihrer Sorge unterstützen, Menschen aus zerbrochenen Ehen und wiederverheiratete Geschiedene stufenweise wieder – so- weit es möglich ist – zur vollen Teilnahme am Leben der kirchlichen Gemeinschaft zu führen.»

Dafür wurden die Bischöfe vom Glaubens-präfekten Josef Ratzinger zurechtgewiesen, der sich entweder nicht mehr an seine Worte von 1972 erinnern wollte oder konnte. Bemerkenswerter jedoch war: Die gemassregelten Bischöfe haben ihre Aussagen trotz römischer Rüge nie widerrufen und erhielten von Bischofskollegen wie Hermann Josef Spital, Franz Kamphaus und Kardinal Friedrich Wetter öffentliche Unterstützung.

All diese Bemühungen um Barmherzigkeit und Einheit blendet Bischof Huonder aus. Wenn es nach ihm geht, richten sich die Sakramente nicht an Bedürftige, sondern an Würdige. Dabei sprechen wir doch jedes Mal vor dem Eucharistieempfang die Worte des römischen Hauptmanns nach: «Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.» Unser Würde kann gar nicht so gross sein, dass wir Anrecht auf ein Sakrament hätten. Wir bleiben immer Bedürftige. Mit seinem Schreiben betätigt sich Bischof Huonder einmal mehr als Spaltpilz. Und das mit voller Absicht. «Kirchenaustritte muss man in Kauf nehmen», hat er in einem Interview freimütig bekannt. Jeder Kirchenaustritt muss für ihn eine Bestätigung sein, weil damit etwas weniger Spreu die katholische Kirche verunreinigt. Das klingt zynisch, ist aber aus Sicht eines Fundamentalisten von glasklarer Logik: Der Erfolg seiner Bemühungen ist gerade an der Zahl der Austritte messbar, denn je mehr «unreine» Katholiken diese Kirche verlassen, desto reiner wird der Rest. Weil der Putzteufel von Bischof Huonder wohl nicht so bald ablassen dürfte, stellen sich die folgenden Fragen auch an die Mitglieder des Bischofsrates, die Generalvikare und Dekane, die Priester, Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter, die anderen Schweizer Bischöfe und die Verantwortlichen in Rom: Sind wir Schafe wirklich nur dazu da, vom Hirten gezüchtigt zu werden? Und müssen wir Ausgrenzung und Spaltung tatsächlich stillschweigend ertragen?

Thomas Binotto in Pfarrblatt der Zürcher Katholiken vom 29.03.2012